Verteidigung im Bußgeldrecht bei Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan speed von Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Verkehrsrecht Stuttgart

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Fachanwalt Verkehrsrecht T.Neuner-Jehle zu PoliScan speed im Bußgeldverfahren

Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Verkehrsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle aus der NJR Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Neuner-Jehle - Stuttgart - informiert und berät Sie spezialisiert und qualifiziert über

 

Geschwindigkeitsmessung durch PoliScan speed  im Bußgeldverfahren

Geschwindigkeitsmessung durch PoliScan speed M1

Bei dem Messgerät PoliScan speed handelt es sich um ein Geschwindigkeitsmessgerät des Herstellers Vitronic, welcher sowohl ein mobiles Messgerät (PoliScan speed M1) und ein stationäres Messgerät (PoliScan speed F1) auf den Markt gebracht hat.

 

Die Mess- und Dokumentationsfunktion beider Gerätetypen sind identisch.

Funktionsberschreibung des PoliScan speed

 

Das System poliScan speed dient zur Geschwindigkeitsmessung des ankommenden und abfließenden Straßenverkehrs.

Die Messwerte und die jeweils zugehörigen Messsituationen werden durch Digitalfotos dokumentiert. Ein horizontal scannender LIDAT (= Light Detection And Ranging) misst den Abstand (= Laufzeitmessung) zu Objekten für jeden Abtastwinkel. Die bewegten Objekte werden verfolgt, der Hintergrund wird ausgeblendet.

Der Messstrahl tastet einen Fahrbahnbereich in einer Entfernung zwischen ca. 10 und 75 Meter innerhalb eines horizontalen Blickfeldes (Scanwinkel) von 45 Grad ab. Der Messbereich liegt uwischen 20 und 50 Meter.

Der Betrieb des Gerätes ist über mehrere Fahrspuren möglich, erfolgt automatisch und erfordert keinen aufmerksamen Messbetrieb. Die Zuordnung der errechneten Durchschnittsgeschwindigkeiten zu einem bestimmten Fahrzeug wird durch eine Auswertehilfe (Auswerterahmen) dokumentiert.

Auswertung von Fotodaten und Bilddokumentation

 

Die Berechtigung für den Zugriff auf die Bilddateien ist entweder durch einen persönlichen USB-Schlüssel oder durch eine auf der Auswerteeinheit vorinstallierte Kryptodatei nachzuweisen. Innerhalb des jeweiligen Beweismitteldatensatzes der heruntergeladenen Falldateien befindet sich ein Textteil mit den Angaben:

  • Aufnahmezeit des Falles
  • Zulässige Höchstgeschwindigkeit für die Fahrzeugklassen
  • gemessene Geschwindigkeit
  • Nummer der Messreihe
  • Laufende Nummer in der Messreieh
  • Ort der Aufnahme

Innerhalb der Bilddokumentation wird geräteintern eine Auswertehilfe in Form eines Rahmens als Auswerteschablone eingeblendet. Seit dem Softwarestand 3.7.4. wird diese nicht mehr perspektivisch als Rechteck eingeblendet, sondern als Trapez. Hierbei ist die vom Messgerät abgewandte Seie nach oben hin nach innen geneigt.

 

Gem. den Vorgaben des Geräteherstellers und der PTB müssen folgende Kriterien bei der Auswertung berücksichtigt werden:

  • Innerhalb des Rahmens der Auswerteschablone muss sich ein Vorderrad (bei Frontmessung) bzw. ein Hinterrad (bei Heckmessung) und/oder das Kennzeichen des gemessenen Fahrzeugs zumindest teilweise befinden.
  • Weitere Fahrzeuge, die sich auf der gleichen oder einer benachbarten Fahrspur befinden, dürfen innerhalb des Rahmens der Auswerteschablone nicht zu sehen sein.
  • Außerdem muss sich die Unterseite des Rahmens unterhalb der Radaufstandspunkte des gemessenen Fahrzeugs befinden.

Erfüllt der Beweismitteldatensatz nicht diese Kriterien, ist das Bild von der auswertenden Behörde als Beweismittel zu verwerfen.

Plausibilität des Messergebnisses

 

Das Messprinzip, der Messablauf und die Messwertbildung beruhen auf theoretisch nachvollziehbaren Vorgängen, die jedoch in ihrem Ablauf zum Teil verborgen bleiben.

Seitdem beim Messgerät PoliScan speed die Software 3.2.4. und des Tuff-Viewers 3.45.1  zum Einsatz kommt kann die Geschwindigkeitsbildung sowie die Messwerterzeugung näherungsweise überprüft werden.

Es sind Angaben über die konkrete Lage der Messstrekce innerhalb des Erfassungsbereichs sowie die gemessenen Geschwindigkeitswerte, die zur Bildung der ausgewiesenen Durchschnittsgeschwindigkeit führen, zu rekonstruieren.

Dies bedeutet, dass die vorgeworfene Gesc hwindigkeit aus Bild und Dokumentation der Messung und der vorhandenen Tuff-Datei nachvollzogen werden kann.

Die Messstelle beim PoliScan speed

 

Die Messstelle mus zur Messung der Fahrgeschwindigkeit geeignet sein und muss auch eine erkennbare Beschilderung aufweisen, die eine bestimmte Geschwindigkeitsbegrenzung vorgibt.

Prüfungsreihenenfolge bei PoliScan speed

 

  • Zum Zeitpunkt der Messung war das verwendete Messgerät formal gültig geeicht. Ob es nach der Eichung und vor der Messung zu Reparaturen am Messgerät kam, die eine Neeichung erforderlich machen, kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Ein Schulungsnachweis des Messbeamten befindet sich in den Unterlagen.
  • Das Messfoto erfüllt alle herstellerseitigen und von der PTB bestätigten Anforderungen hinsichtlich eines gerichtsverwertbaren Fotos.
  • Die Sicherheitsmerkmale der Tuff-Datei sind vorhanden.
  • Die Kriterien, die von der PTB an das Messfoto gestellt sind, werden erfüllt. Das Messfoto ist gerichtsverwertbar.
  • Aus der Auswertung der aus der Tuff-Datei extrahierten Daten ergibt sich ein plausibler Geschwindigkeitsbereicht.
  • Die Fotoauslöseposition in den extrahierten Dateien ist mit der tatsächlichen Fotoposition plausibel.
  • Der Auswerterahmen kann dem gemessenen angezeigten Fahrzeug zugeordnet werden.
  • Eine ableitbare Fehlfunktion des Gerätes aus dem Lichtbild ist nicht feststellbar.
  • Die Messstelle und die Örtlichkeiten sind für eine Messung geeignet.
  • Hinsichtlich der Eichordnung wurde eine ausreichende Toleranz gewährt.

Probleme bei der Messung durch PoliScanSpeed ergeben sich aus dem Grund, als dass die Entferungsangaben der Messdatei, welche die Entfernung zwischen dem gemessenen Fahrzeug und dem Messgerät zum Beginn und Ende der Messstrecke dokumentieren, nicht schlüssig waren.

Bei Messung wird das Fahrzeug abgescannt, hieraus entstehen Messwerte, aus welchen sich die Geschwindkgeit des gemessenen Fahrzeugs ergeben soll.

In diese Messwertberechnung dürfen aber nach Bauartzulassung nur Messwerte eingehen, welche sich aus Messungen am Fahrzeug im Bereich zwishen 50 und 20 Meter zum Messgerät ergeben. Beim PoliScan treten jedoch auch Messwerte auf, welche außerhalb dieser Messstrecke liegen. Aufgrund dieses Widerspruchs hat das AG Mannheim das Verfahren geen den Betoffenen eingestellt.

 

Einwendungen gg PoliScan sind daher:

 

  • das Messverfahren verstößt grds. gegen die Vorgaben der Bauartzulassung, insbes. wenn die konkrete Mesreiehe o.g. Auffälligkeiten aufweis.
  • Werden konkret Messwerte verwendet, welche außerhalb des zugelassenen Messbereichs von 50 - 20 Metern liegen, werden Messwertberechnungen verwendet, welche mit dem Wortlaut der Bauartzulassung nicht vereinbar sind. Nachdem daher weitere Toleranzen zumindest von 1 km/h zu berücksichtigen sind, ist zumindest ein solcher weiterer Toleranzabzug geboten.
  • Eine Überprüfung, ob Messwerte außerhalb des Messbereichs von 50 - 20 Meter im Einzelfall verwendet wurden, ist jedoch nur möglich, wenn die Original-Aufnahme im sog. TUFF-Format eingesehen wird. Die sog. PDF-Ausdrucke, d.h. Screen-Shots der TUFF-Datei, welche von Bußgeldbehörden teils versendet werden, sind in keiner Weise gleichwertig und können daher technisch nicht vollumfänglich ausgewertet werden.

Nach dem Grundsatz "in dubio pro reo (im Zweifel für den Angeklagten") ist das Verfahren einzustellen, oder aber zumindest ein entsprechender weiterer Toleranzabzug zu machen.

Messung PoliScan speed nicht verwertbar

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat nunmehr gemäß Beschluss vom 12.11.2020 (AZR 2 BvR 1616/18) entschieden, dass ein Betroffener eines Bußgeldverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Rohdaten des Messgerätes einsehen darf, da ansonsten sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt werde.

Wichtig hierbei zu wissen ist jedoch auch, dass es sich im Regelfall um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren handelt und auch das Bundesverfassungsgericht ausführt, es müsse nicht jedes Mal ein bestreiten ins Blaue hinein zur vollständigen Überprüfung der Messung führen. Solange sich aus der Überprüfung der Informationen keine hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die fehlerhaftes Messergebnisse ergebe, müsse das Fachgericht ebenfalls nicht weiter überprüfen. Nur dann, wenn der Betroffene konkrete Anhaltspunkte auf ein fehlerhaftes Messergebnisse findet, muss das Gericht, gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen entscheiden, ob dennoch ein Verstoß vorliege.

Die bloße Behauptung eines Betroffenen, die Messung sei fehlerhaft begründe allerdings für das Gericht keine Pflicht zur Aufklärung.

Geschwindigkeitsmessungen mit PoliScanSpeed

Auch das AG Mannheim (Beschl. v. 29.11.16 -AZ: 21 OWi 509 Js 25750/15-)  stellt das Verfahren gegen den Betroffenen ein, wenn der Hersteller es nicht fürt nötig hält, Auskünfte darüber zu erteilen, ob die zur konkreten Messwertbildung beitragenden Rohdaten die Bedingungen der Bauartzulassung einhalten oder nicht !

PoliScanSpeed-Messverfahren genügt rechtsstaatlichen Anforderungen (noch) nicht
      

In seinem Beschluss vom 2. Oktober 2009 - Az: 3 OWi 2 Js 54432/09 - der noch nicht rechtskräftig ist, vertritt das Amtsgericht Dillenburg die Auffassung, dass das PoliScanSpeed-Messverfahren auf den Stand der Technik nachgerüstet werden müsse, um eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle des Sachverständigen zu ermöglichen. Es genüge momentan rechtsstaatlichen Anforderungen noch nicht. Jeder Bürger, der seit dem 01.02.2009 zum Teil drastisch erhöhte Bußgelder für Geschwindigkeitsübertretungen zahlen müsse, habe einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf die nachträgliche Richtigkeitskontrolle der ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsübertretung. Das AG Dillenburg hat, da dies momentan bei Messungen des PoliScanSpeedVerfahrens nicht gegeben ist, den Betroffenen freigesprochen.
http://verkehrsanwaelte.de/news/news16_2009_punkt4.pdf, PDF-Datei (235 KB)

Geschwindigkeitsmessungen mit dem Gerät Poliscan Speed

AG Rostock, Beschl.v. 27.09.13 -35 OWi 1/12- NJW-Spez. 2014,75

Für das Messgerät einer Geschwindigkeitsüberschreitung reicht es nicht aus, wenn der Messwert nur einer Plausibilitätsprüfung unterworfen werden kann. Auch die Zulassung des Messgeräts von der physikalisch-technischen Bundesanstalt (PTB) führt nicht dazu, ein standardisiertes Messverfahren anzunehmen.

Verwertbarkeit von PoliScan Speed

AG Rostock Beschl. v. 27.09.12 -35 OWi 1 /12- = Verkehrsjurist 2014, 21

Der Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Ihm konnte die Begehung des vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes nicht mit der für die Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden.  Beim Gericht sind nicht zu überwindende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed entstanden.

Vgl. auch AG Aachen DAR 2013, 218; AG Herfurt Urt.v. 11.03.13 -11 OWi-502 Js 692/11-1180/11, juris; AG Tiergarten Urt.v. 13.06.13 -(318 OWi) 3034 Js-OWi 489/13 (86/12), 318 OWi 86/13-, juris.

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