Augenblicksversagen im Bußgeldrecht von Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Verkehrsrecht Stuttgart

Telefonische Sofortauskunft:

 

0711 – 820 340 - 0

Augenblicksversagen im Bußgeldverfahren von Fachanwalt für Verkehrsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle

Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Verkehrsrecht Stuttgart

 

Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Verkehrsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle aus der NJR Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Neuner-Jehle - Stuttgart - informiert und berät Sie spezialisiert und qualifiziert im

 

Augenblicksversagen im Bußgeldrecht

Augenblicksversagen im Bußgeldrecht

Das sog. Augenblicksversagen im Straßenverkehr ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Betroffenen im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit bei Begehung keine grobe Verkehrswidrigkeit vorgeworfen werden kann, sondern nur leichte Fahrlässigkeit.

 

Fehlt es an einer groben Verkehrswidrigkeit, so kommt die übliche Rechtsfolge des Bußgeldkatalogs nicht in Betracht, weswegen insbesondere bei Fahrverboten dieses in Wegfall geraten kann, auch ohne Erhöhung der Geldbuße und vor allem ohne Begründung der Existenzgefährdung im Falle eines Fahrverbots.

 

Unter einem "Augenblicksversagen" kann nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden.

OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2004, AZ.: 3 Ss OWi 518/04

Typische Fälle eines Augenblicksversagens:

  • Übersehen oder Verwechseln einer Verkehrsanordnung durch leichte Fahrlässigkeit, falls sich hier die Verkehrsanordnung nicht jedermann aufdrängt
  • keine leichte Fahrlässigkeit bei mehrfachen Verkehrsschildern mit Geschwindigkeitsbegrenzung, oder Fahren innerorts mit entsprechender Bebauung
  • bei Rotlichtfahrten kann leichte Fahrlässigkeit vorliegen, wenn sich ein sog. "Mitzieh-Effekt realisert, oder bei Frühstarterfällen. Bei völligem Übersehen der Ampel kommt dies nicht in Betracht, es sei den, dieses Übersehen ist örtlichen Besonderheiten geschuldet (Bebauung, Bewuchs, ...)
  • bei Trunkenheits- und Drogenfällen wird leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich verneint.

Einzelfälle:

 

Übersehen eines Verkehrsschildes

Hier kommt es darauf an, warum dieses übersehen wurde. Liegt dies an der jeweiligen Bebauung, oder Witterungs- Lichtverhältnissen, Bepflanzungen, etc), so kann dies im Einzelfall die Vorwerfbarkeit auch vollständig ausschließen, war das Schild nur schwer erkennbar, so ist dies ein Indiz für leichte Fahrlässigkeit.

 

Geschwindigkeitsüberschreitung

Grundsätzlich wird vorausgesetzt, dass der Verkehrsteilnehmer die jeweiligen Richtgeschwindigkeiten und Begrenzungsgeschwindigkeiten kenn, so innerorts und auf Bundesstraßen.

Wird hier die Geschwidigkeit überschritten, dann kommt eine leichte Fahrlässigkeit nur zum Tragen, unter den o.g. Voraussetzungen.

 

Anderes gilt auf Autobahmen, da hier grds. keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung existiert.  Augenbikcsversagen wird hier anerkannt, wenn

  • das entspr. Verkehrsschild nur 1 mal vor der Messstelle aufgestellt war (BayOLG NZV 1991, 360; AG Ahrensburg, DAR 2004, 667)
  • der einmalige Aufstellungsort 1200 m vor der Messtelle liegt und der Grund für die Beschränkung -z.B. aufgebrachteer Rollsplit- erkennbar entfallen ist (OLG Celle DAR 2003, 323)
  • das Verkehrszeivhen beim Überholen eines anderen Fahrzeugs nicht gesehen wird (AG Zossen zfs 2001, 234).
  • das Schild zwar einmal beidseitig aufgestellt ist, 600 m vorher aber eine andere Beschränkung an einer Baustelle aufgehoben worden ist (OLG Braunschweig NZV 1999, 303).
  • der Betroffene sich einer Brücke nähert, die -für ihn nicht ohne Weiteres erkennbar- aus bautechnischen Gründen keine höhere Geschwindigkeit verträgt (OLG Rostock DAR 1999, 277).

Augenblicksversagen und somit leichte Fahrlässigkeit scheidet jedoch aus, wenn,

  • sich der Betroffene nach einem Gegenstand bückt (OLG Hamm NZV 1999, 94)
  • durch Sonneneinblendung das Schild ohne entspr. angepasste Fahrweise nicht gesehen wird (a.A. AG Potsdam NJW 2002, 3342)
  • ein verbotswidriges Telefonat geführt wird (OLG Hamm Beschl. v. 31.07.2003 -2 Sa OWi 474/03-)
  • Ablenkung durch Gedanken an eine schwierige wirtschaftliche Situation (OLG Düsseldorf NZV 1995, 406)
  • die nur zur Nachtzeit geltende Beschränkung zwar nicht kennt, aber nicht daran denkt, weil er sein tagsüber gewohntes Verhalten auch Nachts beibehält (BayOLG NZV 2001, 46)
  • u.v.m.

Augenblicksversagen bei Rotlichtfahrt:

 

Anerkannt wurde Augeblicksversagen bei:

  • einer überraschend für Rechtsabbieger nach nur kurzer Entfernung sichbaren Fußgängerampel (BayOLG NZV 1994, 287; OLG Düsseldorf NZV 1993, 409).
  • einem Mangel an Aufmerksamkeit wegen Übermüdung nach Nachtschicht (OLG Celle DAR 2003, 472)
  • einem ortsfremden Betroffenen (AG Tettnang zfs 1999, 442) jedoch nur, wenn die Ampel unübersichtlich aufgestellt wurde
  • bei sog. Mitzieheffekt (rglm. aber nur dann, wenn der Betroffene zuvor angehalten hat)
  • bei unberechtigter Provokation durch einen Fahrer auf der Nebenspur mit Grünlicht (OLG Hamm NVZ 1995, 82); gilt auch dann, wenn es durch das Fehlverhalten zu Schaden kommt (OLG Hamm NVZ 2001, 221)

Bei Verwechslung des Grünlichts der Ampel Augenblicksversagen dann bejaht, wenn

  • bei einem Linksabbieger, der glaubt, das Grünlicht für Geradeausfahrer bzw. Rechtsabbieger gelte auch für ihn (OLG Düsseldorf NVZ 1993, 320; DAR 1993, 271; KG NZV 2002, 50)
  • ebenso bei einem Rechtsabbieger (OLG Düsseldorf zfs 1993, 429; DAR 1996, 107; NZV 2000, 90; BayOLG NZV 1994, 370; OLH Hamburg NZV 1995, 163)
  • bei einem Geradeausfahrer (OLH Hamm DAR 1995, 501; OLG Karlsruhe NZV 1996, 206; DAR 1996, 367)
  • wenn der Fahrer darüber hinaus ortsfremd ist (OLH Hamm NZV 1996, 117)
  • die Verwechslung durch die Art der Aufstellung der Lichtzeichenanlage begünstigt wird (OLG Stuttgart DAR 1999, 88)
  • der Betroffene "tätige Reue" zeigt, indem er sofort nach Bemerken seines Fehlers noch auf dem Fußgängerüberweg anhält (OLG Karlsruhe DAR 1999, 417)

weiter wird Augenblicksversagen bejaht beim qualifizierten Verkehrsverstoß, wenn

  • wenn ein Taxifahrer durch einen Fahrgast durch psychischen Druck abgelenkt wird (OLG Hamburg NZV 1995, 163)
  • ein Auslieferungsfahrer durch eine Adresssuche abgelenkt ist (OLG Koblenz DAR 1994, 287)
  • die Lichtzeichenanlage aufmerksam beobachtet wurde, aber wegen spiegelglatter Fahrbahn nicht rechtzeitig angehalten werden kann (OLG Dresden DAR 1998, 280) oder der Betroffene bei winterlichen Straßenverhältnissen die bremsverlängernde Wirkung des ABS nicht kennt (OLG Dresden DAR 2001, 318)

Augenblicksversagen

 

Absehen vom Regelfahrverbot bei Augenblicksversagen

OLG Dresden Beschl. v. 01.11.05 zfs 2006, 52

Die Verhängung des Regelfahrverbotes bei einem Geschwindigkeitsverstoß ist nicht gerechtfertigt bei einem sog. Augenblicksversagen, das seinerseits nicht auf grober Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit beruht.

 

Geschwindigkeitsüberschreitung und Augenblicksversagen

OLG Karlsruhe Beschl. v. 22.06.07 –1 Ss 25/07-

Wer die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschreitet, kann sich nicht auf das Vorliegen eines Augenblicksversagen wegen Übersehen der Geschwindigkeitsschilder berufen.

Hinweis:
Die Urheber der Texte auf dieser Website ist Rechtsanwalt Tilo Neuner-Jehle, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Stuttgart. Sie dürfen die von mir erstellten Texte vollständig, auszugsweise oder sinngemäß zitieren. Ich muss Sie jedoch bitten, sich vorher entweder meine schriftliche Genehmigung dazu einzuholen oder ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ich Urheber des Textes bin (Quellenangabe nach § 63 UrhG). Die Erstellung der Texte erfordert aktuelles Fachwissen, Kreativität und Zeit. Ich bitte Sie, dies zu respektieren. Sollten Sie meine Texte auszugsweise auch im Internet veröffentlichen, bitte ich um eine Rückverlinkung.